13. März 2009

WELCOME TO THE WESTCOAST

Die Westkueste hat
einen ganz besond'ren Charme:

"rauh, aber herrlich!"





Die Westcoast der Suedinsel Neuseelands liegt eingepackt wie ein Sandwich zwischen den sagenhaften Gipfeln
der Suedlichen Alpen und der meist aufgewuehlten Tasmanischen See.

Es ist eine sehr eigene Welt, die es in Neuseeland sonst nicht gibt: Ein Hauch von Isolation zu den uebrigen Landesteilen und ein auch heute noch spuerbarer, eigenwilliger Pioniergeist machen den besonderen Charakter der Westkueste aus, natuerlich auch der haeufigere Regen.

Greymouth ist mit 40 Tsd. Einwohnern die groesste Stadt an der Westkueste. Sie wurde von Maoris als Handelsstation









fuer "greenstone" (Jadesteine) gegruendet und liegt an der Muendung des Grey Flusses.








Der Boom kam in den 1860er Jahren, als der Goldrausch den Strassen- und Schienenbau stark vorantrieb. Das Flair aus diesen Tagen und die einmalige Landschaft machen aus Greymouth auch heute noch eine sehr interessante Stadt.

Ich kann mir die
1860er Jahre gut vorstellen, als russbedeckte Kohlenminenarbeiter nach ihrer Schicht auf haengengebliebene Buschleute und ploetzlich reichgewordene Goldwaescher trafen. "Easy money" regierte die damalige Welt, heute sind wir ja zum Glueck viel schlauer!

Und was hat all diese Gluecksritter und Desperados geeint? Natuerlich Bier aus Monteith's Brauerei, die in diesen Jahren zur Stelle war, um bis heute wohlschmeckende Westcoast-Biere zu produzieren.








Westkuestler haben immer einen guten Tropfen geschaetzt. In Greymouth,







war man direkt an der Bierquelle, die bis heute sprudelt, und diese Quelle schaue ich mir gerne mal an.








Oben seht ihr keinen Kochtopf, sondern einen 70 Tsd. Liter-Kessel mit frisch gebrautem Bier. Rechts daneben erklaert uns ein freundlicher Herr aus Monteith's PR-Abteilung, wie das Bier dann in die Flasche kommt. Und als wir schon alle fast verdurstet sind, bekommen wir von jedem der unteren Zapfhaehne eine (kleine!) Probe in unser Glas.








Der Clou ist natuerlich, dass sich jeder das Glas nochmal bis zum Anschlag mit seinem persoenlichen Lieblingsbier (ich nehme das schwarze) fuellen darf. Als Monty von Monteith's mal nicht guckt, holt sich so mancher schnell noch einen Nachschlag.

In Greymouth gibt's so manches zu sehen, hier eine Mini-Auswahl:





oben rechts: eine Patrollie der Kuestenwache faehrt zur Muendung des Grey

oben: eine Bauarbeiterin setzt in aller Ruhe Natursteine vor die alte Mauer
Im Osten geht die Sonne auf, und wo geht sie unter? Natuerlich im Westen ueber'm Meer.
Frage: Wo steht sie mittags? Im Sueden oder im Norden? (richtige Antwort ganz unten)
der 1909 gefundene sagenhafte Rodderick Goldklumpen wurde 1911
Queen Mary und King George geschenkt und zum Teeservice weiterverarbeitet.




Das Thema Goldklumpen ist ein gutes Stichwort fuer die Ueberleitung zur naechsten Station: eine Goldwasch-Anlage wird uns hier mit richtiger Schuetteltechnik demonstriert.








und die damaligen Goldwaescher sahen etwa wie folgt aus:








Wer anderen das Gold klaute, endete wie diese bedauernswerte Lady an einem Pranger mit eingebauter Demutshaltung.








Ja, das Leben war hart damals.








Viele versuchten, an das Gold heranzukommen. Aber es gab auch Gluecksritter, die mit Jagd und
Fellhandel ihr Geld verdienten: richtige Buschmaenner.

Unsere naechste Station ist ein Restaurant, das sich das Bushmans Center nennt. Der Inhaber Pete haelt uns einen kleinen Vortrag darueber, wie schoen
damals die Welt war, als Maenner noch wirkliche Maenner und "Schafe" nervoes waren.

Deshalb gibt's bei ihm auch Pies
(=kleine Kuechlein),









die mit Opossumfleisch gefuellt sind.

Pete's Wagen sieht so aus:









und es sind noch andere Kuriositaeten auf seinem Gelaende.









Unser Busfahrer, Young Joe Young,
ein in Neuseeland lebender Australier (unten links) bringt uns zum Zielort nach Franz Josef,








einem kleinen Ort am Franz Josef-Gletscher, wo er sich erstmal mit einem Kumpel austauscht.
Seinen Namen,
Young Joe Young , hat er von einem Haeuptling der Aborigene bekommen. Das heisst "Joe, der fuer immer jung bleibt". Joe ist 54 Jahre alt.

Und ich checke erstmal im YHA ein, um am naechsten Tag den Gletscher zu besuchen.

Der Weg zum
Franz Josef-Gletscher ist auf den folgenden Bildern nachzuvollziehen.
















Ich schmuggle mich in eine gefuehrte Gletschergruppe, in der die Teilnehmer eine blaue Jacke anhaben, wie ich. Bald nach dem "Extreme Danger-Punkt" nehmen aber alle Herrschaften Platz, um
aus den mitgelieferten Tour-Rucksaecken ihre Steigeisen zu holen.
Da kann ich nicht mithalten, und deshalb gehe ich zurueck, um mich auf den Weg zum Gletscher-Aussichtspunkt nach Roberts Point zu machen,









das ist hoch ueber der anderen Seite des Gletschers. Hier entstehen diese Bilder:











Und oben am Robert's Point hat man einen ganz praechtigen Ausblick auf den Franz Josef-Gletscher,








der leider auch stark schrumpfte,








wie das obere Bild im Jahrhundertvergleich zeigt, aber in den letzten Jahren fing er wieder an groesser zu werden.








Deshalb gibt's dafuer und fuer den beachtlichen Wanderweg nach Robert's Point und zurueck 8 Punkte auf der "Wundernskala".

Ich halte das Gletschergedoens hier allerdings fuer etwas uebertrieben. Das bestaetigt mir auch Dario aus der Schweiz, der an einer gefuehrten Gletscherwanderung selbst teilgenommen hat. Er fuehlt sich in seinem Schweizer Nationalstolz etwas gekraenkt, weil in Neuseeland doch alles sooo toll sein soll. Und dieser Gletscher hat ihn halt etwas enttaeuscht.

Auf meiner Wanderung zurueck habe ich dann wunderbare Landschaftsbilder wie das untere,








und das entschaedigt mich fuer den Gletscher-Hype.

Als ich gegen halb neun abends nach einem wander- und ereignisreichen Tag endlich mal etwas ausspannen will, hoere ich eine innere Stimme freundlich und ruhig sagen: "Du hast deine blaue Wanderjacke oben am Robert's Point vergessen."

Ebenso ruhig nehme ich meine Wanderstoecke und gehe bei einbrechender Dunkelheit wieder los, um sie zu holen, falls sie noch da ist. Natuerlich habe ich eine Taschenlampe dabei.

Als es ganz dunkel ist, sehe ich Hunderte von Gluehwuermchen um mich herum. Irgendwann erkenne ich zwei gelbe, die komischerweise immer in derselben Entfernung voneinander bleiben. Also mit der Taschenlampe draufgehalten: Die gelben Gluehpunkte sind die Augen eines Opossums, das vor mir auf dem Weg sitzt.

"Was machst'n du da?", frage ich. Das flitzt es auch schon hinter einen Baum und dann ab nach oben.




"Zwei gelbe Lichter
funkeln in der dunklen Nacht.
Oh, wie possierlich!"
(Haikubeitrag von Sabina)


Spaeter sehe ich noch ein weiteres Possum, mehrere Keas (=grosse freche Papageienart), ausserdem knackt, raschelt, rauscht und plaetschert es die ganze Zeit rechts und links, unter und ueber mir.

Und neben diesem magischen Nachtspektakel
wird mir ploetzlich klar, was ich da eigentlich mache. Ich habe mich zum zweitenmal an einem Tag auf einen 7 bis 8 Stunden-Weg begeben. Fast bin ich nicht mal enttaeuscht, dass meine Jacke am Robert's Point schon einen anderen Liebhaber gefunden hat. Es ging auch garnicht um die Jacke, sie war fuer mich nur der logische Ausloeser loszugehen. Nein, es ging um die Grenzerfahrung, durch Stunden exotischer Dunkelheit zu gehen, angstfrei mit traumwandlerischer Sicherheit, fast berauscht. - Am Tag, ohne Stoecke, hat es mich beim Abwaertsgehen auf dem gleichen steilen, steinigen Treck 2x hingesemmelt, 1x schwer (nur mit Muehe konnte ich mit den Haenden das Schlimmste abwenden). Jetzt passiert mir nichts. Obwohl ich im Dunklen mit Taschenlampe gehe, bin ich konzentriert, aber voellig entspannt. Was sind 50 Kilometer an einem Tag, wenn man sich fliessend mit allem verbunden fuehlt?

Spaeter daemmert mir aber, dass ich nicht nur ein entspanntes naechtliches Wandern erlebt habe, sondern dass ich dem "dunklen Bereich meiner Seele" begegnet bin. Das Leben mutet uns immer dann etwas zu, wenn wir es brauchen und verkraften koennen. Das Startsignal geben wir
(natuerlich unbewusst) selbst . Kurz vorher hatte ich einen Traum: - SCHULRAUM - ICH ALS TEACHER VERSUCHE, MICH DEN ANWESENDEN ZU VERMITTELN UND GEHE VOELLIG UNTER - VERZWEIFLUNG, WUT, TROTZ - UND DANN VERNICHTUNG - ICH VERSCHWINDE IM NIRVANA.
Meine Grundaengste, "nichts wert zu sein"
(trotz aller Erfahrungen und offensichtlichen Erfolge) und "mich nicht verbinden zu koennen" haben demnach 34 Jahre meiner Lehrertaetigkeit ueberdauert. Mein Nachttrip hat mir diese dunkle Seite meiner Seele als potentielles Schreckensszenario widergespiegelt. Dass ich eine derartige Geisterbahn so ruhig, zentriert und verbunden durchschreiten durfte, kann ich als beginnenden Heilungsprozess interpretieren. Ich forsche weiter!


Um 4 Uhr morgens liege ich im Bett. Am naechsten Morgen halten mich die Zimmergenossen fuer einen hartgesottenen Pistengaenger und Frauenhelden. Als ich das entruestet richtig stellen will und beginne, von der Nachtwanderung zu erzaehlen, ernte ich nur anhaltendes Gelaechter. "Hey, come on Wulffgaeng, to some girl you are tramping." Weitere
Versuche der Rechtfertigung werden mit Lachen erstickt. Man will mich bewundern.







Bitte sehr!

Ach uebrigens, die richtige Antwort lautet: Norden.










Hasta la vista
Wolfgang

Keine Kommentare: